Coaching und New Work – Teil 2

Sinn im Coaching

Sinnhaftigkeit war schon bei Bergmanns Vorstellung zu New Work ein bedeutender Begriff und auch die New Work Charta greift diesen auf. Sinn soll ausdrücken, dass Mitarbeitende sich dort einbringen können, wo ihre Stärken und Bedürfnisse zum Tragen kommen und gleichzeitig der Arbeitsalltag in allen Schritten sinnvoll gestaltet wird, um zu wirtschaftlicher, finanzieller und kultureller Wertschöpfung beizutragen.

Diesem zentralen Konzept widmet der ICF ebenso eine Coaching Kernkompetenz und formuliert sie als „Bewusstheit fördern“ – darunter ist zu verstehen, dass gute Coaches stets durch Fragestellungen darauf hinarbeiten sollen, dass Klienten ihren Denkweisen und Werten auf den Grund gehen, um so das „Warum“ zu ergründen, das ihre Handlungsweisen beeinflusst.

Ein typischer Bereich des Business Coachings ist Karrierecoaching. Hierbei setzt man sich zwar klassisch mit der Planung der Karriere auseinander, doch die Fragestellungen nehmen auch sehr emotionale Züge an, z. B. beim Finden des Traumjobs, der beruflichen Bestimmung („Purpose“) oder dem Herausarbeiten von passenden Arbeitsmodellen oder einer gesunden Work-Life-Balance. Verschiedene Studien zeigen dabei klare Trends auf, die sich auch im Coaching wiederfinden: Zum einen sind Mitarbeitende zunehmend auf der Suche nach Sinnhaftigkeit in ihrem Leben und wollen Wege finden, diese mit der Arbeit zu verbinden[1]. Während Führungskräfte im Job die präferierten Ansprechpartner sind, um einen sinnhaften, erfüllenden Karriereweg zu skizzieren, können Coaches zusätzlichen Mehrwehrt erbringen, um als neutrale, loyale Person außerhalb des beruflichen bzw. privaten Umfelds die nächsten Schritte zu reflektieren. Darüber hinaus sind Mitarbeitende heutzutage bereit, für die Erfüllung im Job auf finanzielle Anreize zu verzichten[2] und sind bei als sinnhaft wahrgenommener Arbeit engagierter und produktiver.

Im Coaching sind viele Methoden bekannt, um Sinn und Werte zu erforschen und mit ihnen als Fundament den für die Klienten besten Alltag zu gestalten. Dazu gehören zum Beispiel klassische Methoden wie die Werteklärung (d.h. das Erarbeiten von Lebenswerten) oder das Ergründen von Glaubenssätzen, ebenso aber auch kreative Varianten wie das von japanischer Philosophie inspirierte Ikigai-Modell.

Entwicklung im Coaching

Bereits vor New Work war die Identifikation und Weiterentwicklung von Talenten in Unternehmen ein Schlüsselziel zum Erreichen von strategischen Zielen, wenngleich die Umsetzung auf Seiten der Mitarbeitenden oft kritisiert wurde. Für New-Work-Organisationen sind frische Ideen und Impulse heute wichtiger denn je und Teams müssen sich durch etablierte Lernstrukturen, stetige Selbsterneuerung und gezielte Förderung kreativer Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln.

Entwicklung ist für manche sogar das Kernelement im Coaching und kommt daher als beliebtes Personalentwicklungstool zum Einsatz. Auch der ICF schreibt sich dies mit einer Kernkompetenz auf die Fahne, mit der ein Coach die „Entwicklung der Klienten unterstützen“ soll. Das bedeutet, dass Coaching immer in erster Linie als Hilfe zur Selbsthilfe gesehen werden und die Autonomie der Klienten unterstützt werden soll – schließlich sollen sich Klienten während des Coachingprozesses so weiterentwickeln, dass sie die vorliegenden und zukünftigen Herausforderungen letztlich selbst überwinden können. Hierbei hilft Coaching, indem es Raum bietet zur Reflexion, um kontinuierlich aus bisherigem Verhalten zu lernen und neue Handlungsoptionen zu entwickeln. Durch das Erarbeiten von neuen Strategien und Denkweisen werden Klient:innen in ihrer stetigen Weiterentwicklung gefördert.

Um die Entwicklung von Klienten zu reflektieren und zu fördern, kennt das Coaching eine Fülle von erprobten Methoden und Herangehensweisen, darunter beispielsweise:

  • Der „Kompetenzcheck“[3] hilft Klienten, ein klares Bild über das eigene Kompetenzspektrum zu erhalten, um ressourcenbezogen an der eigenen Weiterentwicklung zu arbeiten. Die sehr umfangreichen Ergebnisse bieten Raum für sehr viele nächste Schritte im Coachingprozess.
  • Mit dem „Berg der Entwicklung[4]“, einem Tool von P. Sidiropoulos und C. Thumm, werden berufliche Ziele und Kompetenzentwicklung reflektiert und visualisiert. Dabei wird mit einer Bestandsaufnahme zur Vorbereitung gestartet und der Aufstieg zum Gipfel mit Zwischenzielen, so genannten Entwicklungscamps, versehen.
  • „Hausaufgaben“, die die Klienten von Session zu Session bearbeiten, helfen bei nachhaltigem Lernen und der Weiterentwicklung von Kompetenzen. Dabei ist das Spektrum groß und umfasst z. B. selbstständiges Reflektieren, Tagebuch führen, kreatives Auseinandersetzen mit einem Thema oder Anwenden von Veränderungen in konkreten Situationen.

Soziale Verantwortung im Coaching

Nachhaltigkeit, Ökologie und Regionalität zu berücksichtigen und den Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns zu entsprechen – das bedeutet soziale Verantwortung für New-Work-Unternehmen. Die Brücke zum Coaching zu schlagen ist in diesem Punkt nicht genauso intuitiv wie in den vorherigen Punkten, hat der Coach doch in erster Linie einen neutralen Beitrag zu leisten und keinen ideologischen, doch bei genauerem Betrachten finden sich durchaus Anknüpfungspunkte.

Zunächst kann wieder auf die Coaching Kernkompetenzen des ICF Bezug genommen werden, in denen sich der Coach „an ethische Grundsätze“ hält. Das lässt sich mit dem Verhalten des ehrbaren Kaufmanns in Beziehung setzen, denn ein Coach soll sich integer und ehrlich verhalten und niemals eine Notlage von Klienten ausnutzen und sie dadurch übervorteilen. Darüber hinaus gehört es zum ethischen Grundverständnis, Klienten an andere Heilberufe zu verweisen (z. B. Hausarzt, Psychotherapeut), wenn die zu bearbeitende Fragestellung über die eigene Kompetenz oder den Anwendungsbereich von Coaching allgemein hinausgeht. Auch hier ist die Devise, dass Klienten nicht übervorteilt werden oder Gewinne aus Krankheiten gezogen werden dürfen.

Auch der Deutsche Bundesverband für Coaching e.V. (DBVC) sieht eine gesellschaftliche Verantwortung im Berufsfeld Coaching[5], die durch den Einfluss von Coaches auf Akteure in Unternehmen und Organisationen begründet ist. Zwar ist der Coach zur Neutralität verpflichtet, doch werden durch jegliches Tun und Lassen im Coachingprozess Impulse gesetzt, die die Klienten – oft unternehmerische Entscheidungsträger – zum Handeln bewegen. Dies darf in keiner Weise manipulativ geschehen, gleichzeitig ist es als Coach wichtig, Klienten in ihrem Umfeld zu begreifen – das ist im Business Kontext meist das Unternehmen, in jedem Fall aber auch die Gesellschaft. Um daher die Brücke zu schlagen zwischen dem Klienten als Individuum und sozialen Aspekten, können Coaches Fragen stellen, die soziale Verantwortung hinterfragen: Sind erarbeitete Lösungen für die berufliche Karriere nachhaltig, tragen sie Gemeinsinn Rechnung? Berücksichtigen unternehmerische Entscheidungen Generationengerechtigkeit und lokalen Kontext? Derlei Fragen können als Denkanstöße in die Kommunikation mit Klienten aufgenommen werden.


[1] Employees Want Work That Matters — Managers Can Help (gallup.com) Zuletzt aufgerufen am 07.08.2022.

[2] 9 Out of 10 People Are Willing to Earn Less Money to Do More-Meaningful Work (hbr.org) Zuletzt aufgerufen am 07.08.2022.

[3] Albrecht, Evelyn: Business Coaching. Ein Praxis-Lehrbuch. 2018. S. 238-244.

[4] https://www.coaching-magazin.de/tools-methoden/berg-der-entwicklung Zuletzt aufgerufen am 07.08.2022

[5] Gesellschaftliche Verantwortung im Berufsfeld Coaching – Themen/Fachbeiträge – dbvc Zuletzt aufgerufen am 07.08.2022.

Foto von Alena Koval

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